Die Nacht der lebenden Toten
Night of the Living Dead (R: George A. Romero, US 1968, 96min)

Don't you know what's goin' on out there? This is no Sunday School picnic! Ben
„Sie kommen um dich zu holen, Barbra!“ Im Spaß ausgebrochene Worte des Bruders, die zur tödlichen Realität werden. Die Toten erheben sich in dieser Nacht, sie erheben sich und versuchen die Lebenden zu holen. Barbra kann ihrem ersten Angriff noch knapp entkommen und sich in ein vermeintlich leeres Landhaus zurückziehen.
Die Bedeutung dieses Filmes zu überschätzen ist nahezu unmöglich. Nicht nur ein Meilenstein im Horror-Genre und der Filmgeschichte, auch für die heutige (Pop-)Kultur unverzichtbar, veränderte er doch das Bild der Zombies maßgeblich und dauerhaft, wohlgemerkt, ohne auch nur einmal zu erwähnen, dass es sich bei den lebenden Toten tatsächlich um jene momentan allgegenwärtlichen Untoten handelte. Gab es zwar schon zuvor Zombie-Filme, hatten diese vor Romero einen vollkommen anderen Charakter. Sie waren nicht wiederauferstandene Leichen mit unstillbarem Hunger nach Menschenfleisch, sondern Marionetten unter der Kontrolle eines Voodoo-Zauberers.
Doch was geschieht auf der Leinwand? Erstmal herzlich wenig. Einige wenige Untote wandeln über die Erde, werden in kurzen Kämpfen, die beinahe slapstick-artig anmuten, niedergeschlagen, das Haus wird zur Festung verbarrikadiert während Duane Jones und Judith O’Dea mit Hilfe gewaltigen Overactings ihre herzzerreißende Lebensgeschichte offenbaren. Man glaubt, dieses Werk käme aus der cineastischen Steinzeit, es habe eine zentimeterdicke Staubschicht angehäuft, ein Relikt aus vergangenen Tagen. Doch dann bricht Romeros Genie hervor. Night of the Living Dead ist wie aufziehender Nebel, wie die Dämmerung und der Anbruch der Nacht. Man sieht die Schwaden langsam kommen, seicht angeflattert, lacht über sie, tanzt in ihnen, mit ihnen – und urplötzlich umfängt die Dunkelheit einen vollkommen, lässt ihn blind zurück und ängstlich nach einem Ausweg suchen.
Die schwarz-weiß Bilder tragen erfolgreich zu der schaurigen Atmosphäre bei, ergänzt durch eine nahezu perfekte Lichtgebung und Kameraführung und wenige, hervorragend dosierte Schockmomente. Und was für Schocker das insbesondere im Jahre 1968 gewesen sein müssen. Eine nackte Untoten-Dame wandert da über die Wiese, es werden gut sichtbar Gedärme verspeißt und das Fleisch von Menschenknochen gerissen. Ist man zwar heute an heftigere Bilder gewohnt, hinterlassen sie dennoch ihre Wirkung, vor allem wegen der ungemein realistischen Inszenierung. Genauso könnte tatsächlich eine Zombieapokalypse in einer Prä-Handy-Ära ablaufen, in der sich verzweifelte Wanderer zusammenrotten, einen gemeinsamen Unterschlupf suchen und diesen befestigen um sich dann, getrieben von Furcht und Misstrauen, gegenseitig zu zerfleischen.
Night of the Living Dead fungiert auf sovielen Ebenen, dass es unmöglich ist, eine einzige, klare Interpretation anzubieten, liefert er doch genug Stoff für unzählige. Nur eine, besonders augenscheinige soll hier erwähnt werden. Denn die wahren Monster sind nicht etwa draußen vor den Mauern, sondern es sind die Menschen im inneren, die sich gegenseitig metaphorisch zerfleischen, ehe die Untoten dies auch im wahrsten Sinne des Wortes tun. Sie sind keine externe Bedrohung, die, wie man vermuten könnte, zusammenschweißt, sie veranschaulichen die niederen Triebe der Menschheit, den angeborenen Egoismus, der das eigene Fortbestehen nicht fördert sondern sabotiert.
Eine weitere, interpretationswürdige Randnotiz ist auch der dunkelhäutige Ben. Er selbst schwingt sich schnell zum streitlustigen Anführer der kleinen Truppe auf, der zunächst mit kühlem Kopf plant und agiert und zum heimlichen Protagonisten aufsteigt. Eine kalte Ironie der Drehbuchautoren wird ihn die Nacht als einzigen überleben lassen, in dem er eben jene Taktik anwendet, gegen die er zuvor mit harten Bandagen kämpfte, eine noch kältere wird ihn von einem Miliz-Korps auf Untoten-Jagd erschießen lassen.
Night of the Living Dead von George A. Romero ist einer der ganz großen Klassiker des Horror-Genres, mit einer grandiosen Atmosphäre, viel Subtext und einer gnadenlos realistischen Darstellung der Ereignisse. Die vorhandenen Klischees und Vorhersehbarkeit werden dabei gerne verziehen, vor allen Dingen da Romero sie hier etablierte und erfand.
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