Vorneweg ein Rat: Wenn ihr diesen Film noch nicht gesehen habt, hört auf zu lesen, schaut keinen Trailer, informiert euch nirgends auch nur ansatzweise über diesen Film. Alles, was ihr wissen müsst, ist, dass er von Christopher Nolan ist, dass er anders ist und dass er die acht, zehn oder auch fünfzehn Euro, die euer Kino verlangt wert ist! So habe ich es gehalten und ich denke, dass dieser Film so seine beste Wirkung entfalten kann.
Interstellar
Interstellar (R: Christopher Nolan, GB/US 2014, 169 mins)
Do not go gentle into that good night; Old age should burn and rave at close of day. Rage, rage against the dying of the light (Dr. Brand)
Christopher Nolan zelebriert den Weltuntergang. Nicht laut und bombastisch, nein, langsam, leise und realistisch. Nicht die Welt ist es, die zerfällt und auseinanderbricht, es ist die Zivilisation, die Menschheit, die Staub ansetzt, die verkalkt, deren Zeit abläuft. Er beschwört ein düsteres Zeitalter der Stagnation herauf, in dem nicht nach Fortschritt gesucht wird, ein Zeitalter, das nur verwalten möchte. Große Träume sind begraben, eine rationale, eine gleichgültige Gesellschaft wurde herangezüchtet.
Und ihr Untergang ist gewiss. Eine, vielleicht noch zwei Generationen wird die Erde die Menschheit ernähren können, dann wird jener Teil, der noch nicht verhungerte, ersticken. Die Überreste der NASA forschen fleißig und bieten einen Funken Hoffnung: Zwölf potentiell bewohnbare Planeten wurden hinter einem Wurmloch gefunden, drei davon sind besonders vielversprechend – und ein kleiner Expeditions-Trupp soll die Brücke für eine künftige Evakuierung schlagen.
Interstellar ist vor allem ungewohnt und originell. Über weite Strecken verweigert er sich der üblichen Erzählweise Hollywoods, distanziert sich von jeglicher bipolarer Struktur, von Protagonist und Antagonist. Interstellar trägt vor allem den Pioniersgeist der ersten Western mit sich, eine Entdeckungs- und Forschungsreise hin ins Ungewisse. Der Fokus auf das Zukünftige, auf die unerforschten Planeten verhindert eine Verteufelung des Ist-Zustandes auf dem Planeten Erde. Die Welt, wie wir sie kennen vergeht einfach, still und leise. Es gibt keinen Kampf, sie zu bewahren, sie wird weder zum Freund der gerettet werden soll, noch zum mörderischen Feind, sie existiert lediglich und sie bietet den Menschen nicht mehr lange Platz – so einfach und so nüchtern.
Ganz loslösen kann sich Nolan aber doch nicht von althergebrachten Erzählweisen. Das Publikum wartet auf den Verrat, auf die Falle die zu schnappen wird, die eine Intrige, die kommen und die Mission scheitern lassen wird – und dieses Geschenk wird dem Zuschauer gemacht. Zu Gunsten einer klassischeren Dramaturgie, zu Gunsten eines einfacheren Verständnisses.
Dennoch bleibt zu konstantieren, dass Interstellar auch ohne althergebrachten und genau geplanten Spannungsverlauf lange Zeit sehr gut funktioniert. Er bietet eine solch atemberaubende Soundkulisse, so gigantischen Schauwerte, das man nicht weiß, ob man Nolan dafür danken möchte, den 3D Wahnsinn nicht mitzumachen oder ihn verfluchen will, denn hier hätte eine zusätzliche Dimension tatsächlich einmal einen Mehrwert dargestellt. Die unendlichen Weiten des Alls, die fremden Planeten, sie wurden mit einer solch unglaublichen Schönheit inszeniert und doch liegt die ganze Zeit über eine düstere Spannung und Kälte über ihr, sie sind bezaubernd und gefährlich zu gleich.
Nolan versteht es zudem, zynisch ausgedrückt, schon wie bei Inception (2010) dem Zuschauer eine hohe Komplexität vorzugaukeln. Positiver ausgedrückt, er findet das passende Maß. Intelligent ist Interstellar durchaus und auch folgt er einer inneren Logik relativ genau und ohne größere Löcher. Er legt ein angenehmes Niveau vor, dass dich an die Hand nimmt und dir alles zeigt – wenn du dich auf ihn einlässt. Wer sich nur berieseln lassen möchte, den dürfte eine Enttäuschung erwarten.
Alles andere als enttäuschend ist der Cast! Der obligatorische Michael Caine liefert dort neben weiteren Größen der Kategorie Anne Hathaway, Matthew McConaughey, Matt Damon und Casey Affleck. Vor allem McConaughey trägt den Film von der ersten bis zur letzten Minute und bestätigt seinen Oscar-Gewinn. Positiv am auffälligsten ist jedoch die junge Mackenzie Foy, die McConaugheys Tochter glaubhaft und intensiv verkörpert.
Ein Wehrmutstropfen bleibt jedoch auch bei Interstellar: Das Ende wirkt stark esoterisch aufgeladen und erzwungen optimistisch. Nicht jede Frage und jeder Subplot bedarf einer Aufklärung. Das Rätsel um den Geist und das Wurmloch aufrecht zu erhalten hätte dem Film nicht geschadet und eher genutzt als eine moralische Botschaft über Verantwortung und Mitgefühl hervorzupressen. Interstellar hat einiges zu sagen, was über die reine Erzählung hinaus geht und tut dies auch subtil und angenehm. Der Hammer gegen Ende ist nicht nötig.
Vor allem optisch ist Interstellar eine Wucht, die auf allen Ebenen zu überzeugen weiß, die dem Sci-Fi-Einheitsbrei der letzten Jahre entflieht und neue Maßstäbe setzt, die inhaltlich erfrischt und die Oscar-Saison mit einem Paukenschlag eröffnet!
Kann ich unterschreiben.
Ob 3D wirklich einen Mehrwert geboten hätte? Ich war ganz froh drum, dass Nolan sich noch immer gegen diesen Wahn zur Wehr setzt. Die übermäßig lange Exposition hätte darunter nur gelitten, was die Weltraumszenen nur schwer hätten ausgleichen können (auch wenn ich die zweite Hälfte wirklich gerne in 3D gesehen hätte).
Das Ende empfand ich ebenfalls als schwach. Zu zahm, zu langweilig, zu absehbar, zu scheinheilig, zu losgelöst vom Realitätsanspruch den sich Nolan selbst gesteckt hat.
Aber was ich so grandios an diesem Regisseur finde: Gib ihm einen Batzen Geld und er macht das Größtmögliche daraus.
Nolan (und auch Hans Zimmer) sind einfach ein Versprechen. Was auch immer da ins Kino kommt, es wird bombastisch!
Ich wollte letzte Woche auch quasi das gleiche unter deine Review schreiben, was du jetzt hier gepostet hast, hatte aber nur au dem Tablet Internet, auf dem es sich schwer tippen lässt 😀
Tatsächlich war das der erste Film seit langem bei dem ich mir auch 3D gewünscht hätte. Das wäre bestimmt großartig geworden. Andererseiits finde ich Nolans radikale Einstellung gegen 3D eigentlich ganz sympathisch. Beweist, dass er eben seinen eigenen Kopf hat.
Was den geist betrifft, habe ich mir die Auflösung aber tatsächlich gewünscht. Wenn das nicht gekommen wäre, hätte die breite Masse ihm sicherlich genauso unterstellt, dass der Film eine zu banale Story hat, so wie sie es jetzt auch tun.
gut, diesbezüglich tick ich etwas anders 😀 (ich sah auch irgendwann während der Auseinandersetzung zwischen Matt Damon und McConaughey den perfekten Zeitpunkt um den Film zu beenden und die Mission einfach scheitern zu lassen 😉 ). Ich finde nur, dass es das Geheimnisvolle und Unbekannte ist, dass den Reiz des Weltraumes ausmacht und noch einige offene Geheimnisse diesen Reiz entsprechend verstärkt hätten. Vor allem weil Nolan davor versuchte streng wissenschaftlich vorzugehen und alles rational zu klären versucht und an einer Stelle, an der keine Erklärun möglich ist er eine solch esoterische Lösung anbietet – die mir stark nach Alibi vorkam. Aber allen kann man es ohnehin nicht recht machen 😉
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