Ein Mann sieht rot
Death Wish (R: Michael Winner, US 1974, 93min)
I mean, if we're not pioneers, what have we become? What do you call people who, when they're faced with a condition or fear, do nothing about it, they just run and hide? (Paul Kersey)
Der New Yorker Architekt Paul Kersey führt das Leben, das die Werbung einem zu versprechen versucht. Er hat Geld, Erfolg im Beruf, eine schöne Frau und einen glücklichen verheirateten Sohn. Bis einige Kleinganoven am hellichten Tag in seine Wohnung eindringen, seine Frau zu Tode prügeln und die Schwiegertochter schwer traumatisiert zurück lassen. Die Polizei ist machtlos, Kersey sinnt auf Rache.
Charles Bronson begibt sich erneut auf einen Rachefeldzug. Schauplatz ist dieses mal nicht der Wilde Westen, sondern das New York der 1970er Jahre. Dieses New York ist aber nicht das der High Society, das der Reichen und Erfolgreichen. Dieses New York ist das dreckige, heruntergekommene Loch, mit überbordender Kriminalitt, mit machtloser Polizei. Dieses New York ist das New York, dass auf den Regen wartet, der den Abschaum von den Straßen spülen soll, wie es De Niro in Scorseses Taxi Driver so treffend formuliert. Charles Bronson wird zu diesem Regen.
Der Film beleuchtet das Thema der Selbstjustiz in einem positiven Licht, ohne es zu glorifizieren. Bronson treibt die Kriminalitätsrate erfolgreich nach unten, ohne ernste Konsequenzen zu erleiden. Seine Taten, wie beispielsweise mit Geldscheinen herumzuwedeln um einen Überfall auf sich zu provozieren, werden jedoch kaum kritisch hinterfragt.
Sonderlich viel mehr, als ein interessantes Zeitzeugnis eines anderen New York, angereichert mit einer Prise Selbstjustiz, bietet der Film nicht. Die Handlung verläuft stringent in eine Richtung, ohne Wendungen, ohne zu überraschen, die Figuren sind stereotypisch und großteils schlecht gezeichnet, die mittelmäßige Performance der Schauspieler tut ihr übriges. Zu glänzen schafft einzig Vincent Gardenia als NYPD Lt. Frank Ochoa – auch wenn sein Charakter von Klischees nur so trieft.
Und so plätschert die Story sehr lange Zeit vor sich hin, ohne diese Zeit wirklich sinnvoll zu nutzen, bis schließlich Bronsons Wandel vollzogen ist und er das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen beschließt. Hier nimmt der Film endlich an Fahrt auf, hier kann er sich zu einem annehmbaren Rache-Thriller mausern. Die relativ spärlich gesäten Gewaltszenen, die aus heutiger Sicht kein FSK18 rechtfertigen, werden jedoch nie wirklich intensiv, sogar der Überfall, wirkt sehr sterril, angestaubt, können kaum schocken oder bewegen. Trotzdem werden sie gegen Ende zumindest unterhaltsam.
Und hier rettet sich der Film und entflieht dem Mittelmaß. Bronsons Rachefeldzug, so simpel er gestrickt sein mag, so wenig er tatsächlich in Gefahr gerät, so lächerlich der ein oder andere Moment auch wirkt, macht einfach Spaß zuzuschauen. Die Wild West-Thematik scheint immer wieder durch, kommt kurzzeitig zum tragen.
Und wenn Bronson schließlich zum Sonnenuntergang die Stadt verlässt, kann der Zuschauer doch noch auf einen guten Thriller zurückblicken.
Hey, da fehlt die Anmerkung, dass Jeff Goldblum und Denzel Washington (beide damals unbekannt) als Böslinge zu sehen sind…
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